Nachhilfebedarf bleibt viel zu hoch

AK-Nachhilfestudie zeigt: Jedes fünfte Schulkind ist auf Hilfe angewiesen – Corona hat Lage für Familien verschärft

Rund 48.000 Vorarlberger Kinder und Jugendliche bringen gerade ihr wohl verrücktestes Schuljahr zu Ende. 9600 brauchten dafür bezahlte oder unbezahlte Nachhilfe. Zwei Drittel der Schulkinder kommen ohne elterliche Hilfe nicht aus. Das hat die Corona-Pandemie noch verstärkt. Die große Nachhilfestudie der AK beleuchtet die Rolle der Eltern als Krisenmanager und unterstreicht die wachsende Bedeutung schulischer Förderung.
Im Auftrag der AK hat das Institut für Empirische Sozialforschung (IFES) bundesweit über 3500 und in Vorarlberg 500 Haushalte mit Schulkindern befragt. Unterm Strich standen im äußersten Westen Österreichs drei Millionen Euro. So stark hat Nachhilfe Vorarlbergs Haushalte im auslaufenden Schuljahr belastet.
Das war auch schon mehr. Vor Corona hätte man getrost schreiben können „Im Westen nichts Neues“. Aber dann haben Schulschließungen und Kontaktverbote alles verändert.
Homeschooling war angesagt. „Schon vor der Krise haben zwei Drittel aller Schulkinder ihre Eltern zum Lernen gebraucht“, entnimmt Gerhard Ouschan der IFES-Befragung. Mütter oder Väter kontrollieren nach der Arbeit die Hausübungen und lernen mit ihren Kindern für Prüfungen und Schularbeiten. „Naturgemäß sind es in der Volksschule mit 86 Prozent am meisten, aber auch in der Oberstufe gehört das Lernen zum Nebenjob der Eltern“, sagt der Leiter der AK-Bildungsabteilung. „Das Homeschooling hat diesen Wert nochmals erhöht.“
Eltern wurden so ganz nebenbei zu Krisenmanagern, wenn für mehrere Kinder nur ein PC zur Verfügung stand oder die Internetleitung mal wieder am Boden war. Schon vor Corona taten sich 21 Prozent der Eltern schwer damit, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. „Mit Homeschooling ist ihre Zahl stark gestiegen.“ 28 Prozent der Kinder fühlten sich mit den Online-Aufgaben überfordert, am höchsten war die Überforderung in der Mittelschule mit 43 Prozent. Erschwerend kam hinzu, dass die externe Nachhilfe aufgrund der Ausgangsbeschränkungen vorübergehend völlig einbrach. „Der Bedarf war mit Sicherheit gleich geblieben“, sagt Ouschan, dennoch schmolzen die Nachhilfebudgets der Vorarlberger Haushalte gegenüber 2018 um insgesamt 24 Prozent.
Unangefochten auf Platz Eins der Fächer für Nachhilfe liegt Mathematik. 66 Prozent der Kinder, die Nachhilfe benötigen, brauchen in diesem Fach Unterstützung. 36 Prozent erhalten Nachhilfe in Deutsch, 25 Prozent in einer anderen Sprache. Mit Nachhilfe wird längst nicht nur versucht, das „Sitzenbleiben“ zu verhindern. Sie dient immer öfter als Steigbügel für den Aufstieg in die weiterführende Wunschschule. Das ist befremdlich. „Obwohl gratis Schulbildung für alle eigentlich eine große gesellschaftliche Errungenschaft ist, hängt der gewünschte Abschluss doch oft von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ab“, kritisiert Gerhard Ouschan und plädiert für faire Chancen aller Kinder, unabhängig vom Geld oder Zeitbudget der Eltern.

Die Zukunft heißt Ganztagsbildung
Sehr positiv hat sich bei der Eindämmung der Nachhilfe bundesweit und in Vorarlberg die schulische Nachmittagsbetreuung ausgewirkt, sei es in einer der Ganztagsschule oder einer anderen Form. Das sehen auch die Eltern so. „Neun von zehn Eltern gaben der Nachmittagsbetreuung in Vorarlberg die Noten 1 oder 2“, bestätigt Ouschan. „Die Qualität der schulischen Förderung kann“ seiner Ansicht nach „nur im Zusammenspiel mit dem Unterricht gesteigert werden.“ Deshalb fordert der Leiter der AK-Bildungspolitik den Ausbau ganztägiger, schulischer Angebote, die mehr als Betreuung sind: Nämlich Ganztagsbildung, bei der Unterricht, Freizeit, individuelle Förderung und Stärkung sozialer Kompetenzen über den Tag verteilt stattfinden. „Da gehört auch ein gesunder Mittagstisch dazu.“ Diese Forderungen und Wünsche kommen auch aus mehr als jedem zweiten Haushalt, unabhängig vom Bildungshintergrund der Eltern. Diese Forderungen werden jedes Jahr lauter.
Externe Nachhilfe brauchen vor allem jene Eltern für ihre Kinder, die selbst keinen höheren Schulabschluss haben und große Mühe haben, den Kindern in schulischen Belangen beizustehen. „Das ist zugleich auch jene Gruppe, die für externe Nachhilfe nur wenig oder gar kein Geld zur Verfügung hat“, so Ouschan.
Qualitative Schulentwicklung muss in seinen Augen die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen. „Leistungsstarke und schwächere Kinder benötigen die für ihre individuelle Leistungsentwicklung adäquate Förderung.“ Deshalb drängt die AK auf die rasche Umsetzung des von der Regierung geplanten Pilotprogramms zur indexbasierten Schulfinanzierung, aber nicht – wie vorgesehen – nur für 100 Schulen.

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