Der Mensch und Künstler hinter dem Flüchtling

Großes Interesse und viel Emotion bei der Literatur-Matinee des ORF Vorarlberg und der Caritas Vorarlberg mit Autorinnen und Autoren aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Gruppenbild


„Solange Menschlichkeit uns verbindet, ist es egal, woher wir kommen.“ Unter diesem Motto fand am Sonntag, den 6. März 2016, um 10.00 Uhr eine einzigartige literarische Matinee im ORF-Landesfunkhaus in Dornbirn statt. Im Mittelpunkt standen dabei Autorinnen und Autoren aus Syrien, dem Irak und Afghanistan: Sie präsentierten Lyrik und Prosa in ihrer jeweiligen Muttersprache. Ihnen zur Seite standen die Moderatorinnen und Moderatoren des ORF Vorarlberg, die jeweils die deutsche Übersetzung lasen.
Mit „Sabah el-nour“ – „Guten Morgen“ auf arabisch – begrüßte Jasmin Ölz, Kultur-Koordinatorin des ORF Vorarlberg, die sechs Autorinnen und Autoren sowie die mehr als 200 Menschen im Saal, die aus dem ganzen Land gekommen waren, um eine neue, spannende, künstlerische Seite jener Menschen kennenzulernen, die aus ihren Heimatländern vertrieben worden sind. Im Fokus stand der individuelle Mensch mit seiner Geschichte und seinem künstlerischen Potential – und die Besucherinnen und Besucher folgten gerne dem Ratschlag: „Hören Sie mit dem Herzen zu.“
Die Aufzeichnung dieser besonderen Literatur-Matinee, die von Gudrun Sandner initiiert wurde, kann noch eine Woche im Podcast der Radiosendung „Kultur nach 6“ auf vorarlberg.ORF.at nachgehört werden.

Menschen mit Geschichte, Kreativität und Zukunft

Ahmed Kadim und Erik Sandner
Ahmed Kadim und Erik Sandner

Ahmed Kadhim, früher Journalist beim irakischen Fernsehen, musste seine Familie im Irak zurücklassen. Sein Text, eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Vertreibung, setzte sich mit der drastischen Gegensätzlichkeit seines vergangenen Lebens und dem Heute auseinander: Eine Gegenwart, die ausschließlich aus Warten besteht und wie Rauch verweht, ist nur tragbar durch die Erinnerung an die Glücksmomente der Vergangenheit. Erik Sandner brachte den Besucherinnen und Besuchern die deutsche Übersetzung nahe.
Der 22-jährige Salim Assasa widmete sein Gedicht „Tränen eines Landes“ seiner Heimatstadt Damaskus. In der direkten Du-Anrede („Meine Prinzessin Damaskus …“) nahm er den Dialog mit seiner Heimat auf, die er zurücklassen musste und noch immer im Herzen trägt. Sein Text war auch eine Auseinandersetzung mit der Frage:  Welchen Sinn hat die Literatur in einer Welt des Kampfes und des Blutvergießens? Martin Hartmann las die deutsche Übersetzung des einfühlsamen lyrischen Werkes.
Einen sehr persönlichen Text verfasste auch der 19-jährige Syrer Amjad bin Khalaf Rahil Al Mohammad. Er erzählte in seinem Prosatext die Geschichte seiner Entwicklung – wie er seine Einstellung zum Leben formte, die auf unermüdlichem Fleiß beruht. Mit diesem roten Faden flicht sich sogar ein vorsichtiger Optimismus in den Text, und das Ende der Geschichte blickt in die Zukunft. Die deutsche Übersetzung wurde von Heinrich Sohm gelesen.

Duaa Drebi und Christiane Schwald
Duaa Drebi und Christiane Schwald

Duaa Drebi, eine junge Frau aus Syrien, hat arabische Literatur studiert. Mit zwei poetischen Texten thematisierte sie die Erinnerungen, die sie seit der Vertreibung aus ihrer Heimat schriftlich festhielt. „In meinem kleinen Tagebuch, das ich von Land zu Land trage …“ war der Schlüsselsatz, der eines der beiden vorgetragenen Gedichte durchzog und mit dem sie die vielen flüchtigen Eindrücke gliederte. Christiane Schwald trug die deutsche Fassung von Drebis Klageliedern vor, die von Abschied und Flüchtigkeit erzählten.
Einen sehr berührenden Text verfasste auch der aus Afghanistan stammende bildende Künstler Soltani Zahker, der seinen „Brief an den Vater“ selbst auf Deutsch vortrug. Der tief empfundene Dank an den Vater, der dem Sohn so viel Gutes und Lehrreiches mit auf den Weg gegeben hat, stand im Zentrum des Textes, begleitet von den Motiven der Sehnsucht und schmerzlicher Ungewissheit. Der Autor hat sowohl arabische als auch deutsche literarische Traditionen in den Text eingeflochten – und verband somit die Geschichte seiner alten und seiner neuen Heimat auch auf einer künstlerischen Ebene.

Ayman Jndi und Rüdiger Wenk
Ayman Jndi und Rüdiger Wenk

Der 26-jährige Ayman Jndi aus Damaskus war Schauspieler, bevor er aus Syrien fliehen musste. Er verfasste ein tiefbewegendes Liebesgedicht, das die innere Zerrissenheit zwischen der stürmischen, alles überwältigenden Liebe auf der einen und die Angst, allzu sehr zu lieben, auf der andere Seite zur Sprache brachte.  Auf den ersten Blick losgelöst von der Kriegs- und Zerstörungsthematik, eröffnet sich die zweite Deutungsebene vor einem dahinterstehenden tragischen persönlichen Verlust. Rüdiger Wenk las die deutsche Übersetzung des berührenden Textes.

Eine Sprache, die alle Menschen verstehen

Musikalisch begleitet wurde die Literatur-Matinee von George Nussbaumer am Klavier, Moaz al Shamma aus Syrien an der arabischen Oud und Malick Bah aus Gambia an der Trommel. Zum Schluss der Lesung fanden sich die Musiker zu einer spontanen Improvisation zusammen – ohne, dass es vorher abgesprochen worden war, entwickelte sich eine lebhafte Interaktion des harmonischen musikalischen Miteinanders. Einen besseren Abschluss kann es kaum geben für jene länder-, sprachen- und kulturenübergreifende Veranstaltung, wie sie im ORF-Landesfunkhaus stattgefunden hat.

Keine Motor Freizeit Trends News mehr verpassen!Jetzt Newsletter kostenlos abonnieren.

Wir respektieren den Datenschutz! Eine Abmeldung vom Newsletter ist jederzeit möglich.

An welche Email-Adresse sollen wir die Motor Freizeit Trends News senden?

MFT Jahresabo
Anzeige

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*